Bedeutung und Aufgaben der Lehrkraft im Zweitspracherwerb


Der Lehrkraft kommt im Rahmen des Zweitspracherwerbs eine besondere Rolle zu, die sich auf den Umgang mit dem Kind,

seinen Eltern und ihren Kollegen bezieht. Dabei unterscheiden wir die Motivationsfunktion, die Modellfunktion und die unterstützende Funktion

Motivationsfunktion:

> Einbeziehung der Eltern

Sprechen Sie mit den Eltern über die Wichtigkeit: 

  • zu Hause weiterhin die Muttersprache zu verwenden, da der Zweitspracherwerb sich an der Erstsprache orientiert.
  • sich intensiv mit ihren Kindern zu unterhalten, damit die Kinder viele Wörter kennen lernen (Vermeidung von Spracharmut)
  • Kontakt zu deutschsprachigen Kindern zu suchen, damit sich das Deutsch sprechen nicht nur auf die Schulzeit beschränkt (auch als Integrationsfaktor wichtig)
  • dem Deutschlernen des Kindes positiv gegenüber zu stehen und Neugierde zu zeigen.


> Umgang mit der Muttersprache

Zeigen Sie Interesse an der Muttersprache des Kindes, an den Menschen die diese Sprache sprechen und an der Kultur die sie vermittelt. Muttersprachliche Äußerungen des Kindes sollten nicht verboten sein oder unterdrückt werden. Wichtiger ist es, das Kind anzuregen, die Äußerung in Deutsch zu wiederholen. 


> Unterstützung des Identifikationsprozesses

Versuchen Sie eine positive Beziehung zu dem fremdsprachigen Kind aufzubauen, weil diese den Identifikationsprozess unterstützt und somit auch das Erlernen der Sprache.


> Rückzugsverhalten entgegenwirken

Achten Sie darauf, dass das fremdsprachige Kind sich nicht ausschließlich mit individuellen, sprachfreien Tätigkeiten beschäftigt. Die Zweitsprache wird nur durch das aktive Benutzen und durch den Umgang mit den anderen deutschsprachigen Kindern erlernt.


> Nutzung von Lieblingstätigkeiten als Sprechanlässe

Beobachten Sie, wofür das Kind sich besonders interessiert, um dann diese Tätigkeit als Sprechanlass mit dem Kind zu nutzen. 


> Positive Verstärkung

Beachten Sie vor allem die ersten deutschsprachigen Äußerungen des Kindes und bestärken Sie es positiv (Lob).


> Einsatz von motivationsfördernden Medien & Materialien

Versuchen Sie bei Kindern, die Hemmungen haben Deutsch zu sprechen, über Freispielaktionen (z.B. unter Einsatz von Handpuppen, Telefon, usw.) in Kontakt zu kommen. 


Modellfunktion:

Sie sind ein Vorbild und haben eine Modellfunktion für die Kinder. Es ist daher erforderlich, dass Sie insbesondere in der Kommunikation mit dem fremdsprachigen Kind ihr eigenes Sprachverhalten überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Folgende Aspekte sind dabei zu berücksichtigen:

  • Artikulation: Bemühen Sie sich um eine deutliche und vollständige Aussprache. Achten Sie dabei darauf, nicht auf künstlich Art zu sprechen, weil sonst die Sprachmelodie verzerrt wird. 
  • Betonung und Sprachmelodie: Vermeiden Sie monotones Sprechen und achten Sie darauf,  das Aussage und Betonung im Einklang sind.
  • Sprechtempo: Sprechen Sie langsam und ruhig, damit das Kind die Aussage gut aufnehmen und verstehen kann.
  • Wortwahl und Satzbildung: Verwenden Sie eine korrekte und präzise Sprache. Vermeiden Sie Floskeln, Flickwörter und Schachtelsätze. Sprechen Sie in vollständigen, grammatikalisch richtig gebildeten Sätzen.


Unterstützende Funktion:

Sie können nicht davon ausgehen, dass die Kinder die Sprache „ganz von selbst“ erlernen. Ihre Aufgabe ist es, das Sprachverständnis und die Erweiterung des sprachlichen Handlungsraums bewusst zu fördern.

 

> Verstehen und verstanden werden

Sichern Sie sich die Aufmerksamkeit des Kindes, suchen sie beim Sprechen den Blickkontakt des Kindes, reden sie nicht „im Vorbeigehen“. Vergewissern Sie sich, dass das Kind sie verstanden hat und beobachten Sie ob die Handlung des Kindes entsprechend ausgeführt wird. 

 

> Genauigkeit der Aussage

Geben Sie Informationen und Erklärungen in einfacher, knapper und eindeutiger Weise. Wenn es der Sprachstand erfordert, unterstützten Sie Ihre sprachliche Aussage mit Anschauungsmaterial (Bilder, Gegenstände). 

 

> Förderung des aktiven sprachlichen Handelns

Das Kind lernt nicht alleine durchs „Sprache-Hören“. Es muss im aktiven Gebrauch der Deutschen Sprache unterstützt werden. Dies können Sie fördern durch:

  • Häufige, individuelle Ansprache des Kindes
  • Weitgehenden Verzicht auf  Fragen, die nur mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können. 
  • Schrittweisen Abbau des ausschließlich nonverbalen Verständigens, das anfänglich helfen kann.  
  • Das Einbinden des Kindes in die allgemeinen Tätigkeiten im Kindergarten: spontane Gespräche mit den deutschsprachigen Kindern, häufiges Besprechen der aktuellen Tätigkeit des fremdsprachigen Kindes, sprachliche Darstellung Ihrer eigenen Tätigkeit.

 

> Satzbau und Begriffsbildung

Vor allem in der Anfangszeit sollten Sie Fragen und Erklärungen, die speziell an fremdsprachige Kinder gerichtet sind, möglichst auf einfache Hauptsätze beschränken. Versuchen Sie gleichzeitig jede spontane Aussage des Kindes aufzugreifen und in einem vollständigen Satz zu wiederholen und gegebenenfalls zu einem Gespräch zu erweitern.  Mit der Zeit werden Sie ihre Satzbildung bewusst ausweiten können. Auch bei der Begriffsbildung bzw. der Genauigkeit des Ausdrucks können Sie im Laufe der Zeit ihr Sprachverhalten gegenüber dem fremdsprachigen Kind ändern. 

 

Quelle: 

Loos, R. (2005). Praxisbuch Spracherwerb. Sprachförderung im Kindergarten. München: Don Bosco.